Sammlung David und Lola Leder, Chemnitz/Berlin

Max Liebermann: Staudenbeet in des Künstlers Garten in Wannsee, um 1922, Pastell. Auktion Amsler und Ruthardt Berlin, 25. Oktober 1925, Los 162.
David und Lola Leder mit Cousin Carl Leder und Erich Goeritz, undatiert. ©Privat
Otto Th. W. Stein: Portrait David Leder, undatiert, Ölgemälde. Der Querschnitt / 2.1922, [H. 3], Weihnachtsheft, "Aus Austellungen der Galerie Flechtheim". https://www.arthistoricum.net/werkansicht/dlf/73129/24#

Handzeichnungen Nachlass Gurlitt

Zu den vier Handzeichnungen von Max Liebermann, die nachweislich bis 1925 in der Sammlung Leder waren, und dann in die Sammlung von Hildebrandt Gurlitt gelangten, sind folgende Informationen publiziert:

„Holländische Dorfstraße“, um 1884, Bleistift

„Alter Herr; Alter Herr zur „Gedächtnisfeier in Kösen“, 1888, Kreide

„Häuser am Wald; Zwei Bauernhäuser am Fuße eines Waldabhanges“, um 1902, Kreide

„Ein Junge zu Pferd am Strande, nach links“, um 1903, Kreide

Dokument mit Erwerbern des Umzugsguts 1944/1945

Rekonstruktion der Kunstsammlung von David und Lola Leder, Chemnitz/Berlin

Provenienzforschungsprojekt in Kooperation mit Frau Dr. Bettina Leder, finanziert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste



Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, die Kunstsammlung von David und Lola Leder zu rekonstruieren. Es wurde am 1. Juni 2021 begonnen und am 30. August 2022 beendet. David Leder (1888-1947) war als Kaufmann in der Textilindustrie tätig, erst in Chemnitz, später in Berlin. 1914 heiratete er Lea Laura, genannt Lola, Bernstein (1892-1977).

Vermutlich hatte David Leder – angeregt durch seinen Bruder Max und durch Otto Th. W. Stein – bereits in Chemnitz begonnen, Kunst zu sammeln. Zu den Freunden des Ehepaares zählten Emil Orlik, Otto Th. W. Stein, Max Liebermann und Lovis Corinth, die Lola und David Leder mehrfach porträtierten. Ihre Werke waren in der Sammlung der Leders zahlreich vorhanden.

So hatte David Leder das gesamte graphische Werk von Lovis Corinth erworben. Weitere mit ihren Werken in der Sammlung vertretene Künstler waren u.a. Paul Cézanne, Albrecht Dürer, Karl Hofer, Edvard Munch, Will Nowak, Rembrandt, Henri de Toulouse-Lautrec, Lesser Ury und Maurice de Vlaminck. Die Sammlung umfasste 1925 ca. 600 Kunstwerke, vor allem viele grafische Arbeiten.

Ein Inventar der Sammlung ist nicht erhalten, allerdings existiert für die Handzeichnungen von Max Liebermann eine Aufstellung aus dem Jahr 1923.

David Leder unterstützte zeitgenössische Künstler wie Jakob Steinhardt und Otto Th. W. Stein. Für die Städtischen Sammlungen bzw. die Kunsthütte Chemnitz wirkte er als Mäzen. Auch der Berliner Nationalgalerie bot er Zeichnungen als Schenkungen an. Darüber hinaus interessierte sich David Leder nach Aussage seines Freundes Erich Goeritz insbesondere für Bücher, die er in Erstausgaben und Sonderdrucken sammelte.

1925 versteigerte David Leder einen Teil seiner gesammtelten Handzeichnungen auf zwei Auktionen in Berlin. Am 3. und 4. März 1925 wurden 316 Handzeichnungen von Max Liebermann aus der Sammlung durch Paul Cassirer und Hugo Helbing in Berlin angeboten. Zu den Käufern gehörte u.a. die Berliner Nationalgalerie.

Die zweite Auktion umfasste insgesamt 309 Zeichnungen und fand am 29. Oktober 1925 bei Amsler & Ruthardt in Berlin statt. Es ist nicht zu verifizieren, ob alle angebotenen Lose aus der Sammlung von David Leder stammten.

Von den angebotenen Zeichnungen beider Auktionen blieben insgesamt 96 unverkauft. Vier Zeichnungen gelangten zu einem unbekannten Zeitpunkt in die Sammlung von Hildebrandt Gurlitt.

Ein Teil der Sammlung wurde – sowohl vor als auch nach den Auktionen – im Städtischen Museum Chemnitz bzw. in der Kunsthütte Chemnitz als Depositum der Leders aufbewahrt. Einige dieser Objekte wurden ab 1926 von der Chemnitzer Kunsthandlung Gerstenberger zum Kauf angeboten. Welche der Objekte veräußert wurden, ließ sich nicht genau ermitteln. 1932 übersandte die Kunsthandlung einige Werke wieder an David Leder zurück.

Am 22. November 1927 wurden auf einer Auktion von F.A.C. Prestel aus „Nachlass eines bekannten Frankfurter Kunstfreundes“ 71 Werke angeboten, die sich wahrscheinlich zuvor in der Sammlung David Leders befunden und auf der Versteigerung bei Amsler & Ruthardt 1925 zum Verkauf gestanden hatten.

1933 verliehen die Leders zwei Gemälde Liebermanns an das Jüdische Museum Berlin; sie wurden später beschlagnahmt.

1935 sandten David Leder und seine Frau Lola Kunstwerke und Bücher als Leihgaben an das Tel Aviv-Museum.

Vor der Emigration des Paares nach London wurde das Umzugsgut in zwei Lifts verpackt, darunter befanden sich auch Kunstwerke. Beide Lifts wurden durch den Kriegsbeginn 1939 nicht weiter transportiert und im Januar 1942 durch die Berliner Gestapo bei der Spedition Harry Hamacher beschlagnahmt. Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg versteigerte oder verkaufte Teile davon im Frühjahr/Sommer 1944, u.a. an folgende Personen: G. Sonatria, Charlottenburg, H. Holtzapfel in Lankwitz und Richard Hille, Bismarckstraße 80.

1947 versuchte Lola Leder vergeblich, das Umzugsgut wiederzufinden.

Einen Teil der nach Tel Aviv gesandten Leihgaben erhielt sie vom Museum zurück. Bis heute befinden sich dort jedoch Zeichnungen von Jakob Steinhardt, ein Aquarell von Willi Nowak und Lithographien von Henri Toulouse-Lautrec.

Die Leihgaben an das Jüdische Museum wurden 1948 in Berlin aufgefunden und restituiert. Ein Portrait David Leders von Gustav Schaffer befindet sich seit 1931 in Chemnitz und wurde 1962 in den Kunstsammlungen Chemnitz nachinventarisiert.

Zur Geschichte der Familie Leder

David Leder kam 1889 als einjähriges Kind mit seinen Eltern und Geschwistern aus dem rumänischen Jassy nach Chemnitz. Nach dem Besuch des Gymnasiums erlernte David Leder in der Firma seines Vaters Leon Leder, einem Großhandel von Strümpfen und Handschuhen, den Kaufmannsberuf. 1910 erhielt er in der Firma seines Schwagers Prokura. 1914 gründete David Leder in Chemnitz eine Großhandlungsfirma und heiratete Lea Laura, genannt Lola, Bernstein.

Mit Kriegseintritt Rumäniens im August 1916 wurde David Leder mit seinen Brüdern und seinem Vater in Holzminden im Herzogtum Braunschweig interniert.

1920 ging David Leder mit seiner Frau und den drei unterdessen geborenen Kindern, Rudolf, Alfred und Ruth, nach Berlin. Dorthin war auch sein enger Freund Erich Goeritz mit seiner Familie gezogen. Erich Goeritz‘ Vater hatte das Textilunternehmen Sigmund Goeritz AG in Chemnitz gegründet, das zum Marktführer im Bereich der Unterwäscheherstellung aufgestiegen war.

1921 gründete David Leder in Berlin ein Unternehmen für den Groß- und Einzelhandel mit Wolle und Baumwolle. 1925 kehrte er mit seiner Familie nach Chemnitz zurück.

Ab 1928 war David Leder in Berlin u.a. für das Chemnitzer bzw. Berliner Textilunternehmen Sigmund Goeritz AG sowie als Alleinvertreter zahlreicher Firmen für sämtliche Niederlassungen der Firma Woolworth tätig. Um 1930 zog die Familie wieder nach Berlin.

Ab 1933 wurde die Familie Leder durch die Nationalsozialisten als Juden verfolgt. Die Kinder von David und Lola Leder gingen in die Emigration. David Leder wurde im November 1938 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Sein Unternehmen wurde im Februar 1939 im Berliner Handelsregister gelöscht. Im Sommer 1939 gelang es ihm, zusammen mit seiner Frau Lola Deutschland zu verlassen und über Basel und Paris nach London zu emigrieren.

David Leder konnte in London nicht an seine frühere Tätigkeit anknüpfen. Er bekam zunächst keine Arbeitserlaubnis und begann 1940 eine Ausbildung zum Dreher, die er aufgrund eines Arbeitsunfalls, der den Verlust eines Fingers zur Folge hatte, abbrach. Danach war er bei der Feuerwache im Luftschutz beschäftigt. Er starb am 1. März 1947 mit 58 Jahren in einem Londoner Krankenhaus.

Publikation

Blog präsentiert von Hypotheses – Zum OpenEdition-Katalogeintrag – ISSN 2702-7384

„Die Kunstsammlung von David und Lola Leder“ von Beate Schreiber unter Mitarbeit von Dr. Bettina Leder