Financial Times Deutschland, November 4, 2005

Financial Times Deutschland, November 4, 2005

"Eternally yesterday" by Horst von Buttlar

Excerpt in German

Es gibt nicht viele Unternehmen, die ihren Kunden raten, statt “Guten Morgen” doch bitte “Heil Hitler” zu sagen. Frank Drauschke und Beate Schreiber haben es getan. Natürlich nicht aus Überzeugung, Gott bewahre, es sollte nur korrekt zugehen. Und auch nicht für den Alltag, sondern für Bild 22, im Drehbuch zu “Der neunte Tag”, einem Film von Volker Schlöndorff über einen katholischen Priester in der Nazizeit.

“Fact Checking” nennt sich das. Die Filmleute sagen: Hier ist unsere Story. Und Historiker wie Drauschke und Schreiber von der Fima “Facts & Files” durchforsten das Drehbuch mit dem Rotstift, ob auch alles seine historische Richtigkeit hat, was da so gefilmt werden soll. Dann schicken sie einen drehbuchdicken Bericht zurück.
[…]

Weil es so viel Geschichte zu erkunden, zu beschreiben, zu bewältigen gibt, ist in den letzten Jahren eine neue Branche entstanden, die Vergangenheit aufpoliert. Eine Branche, die wächst und floriert: historische Dienstleister wie Facts & Files, Vergangenheitsagenturen, Geschichtsbüros, Archivservices, Living-History-Filmproduktionen…
[…]

Die Berliner Agentur Facts & Files gehört zu den Pionieren der historischen Dienstleister. 1999 wurde das Büro von den drei Historikern Frank Drauschke, Jörg Rudolph und Beate Schreiber gegründet. Seitdem haben sie mit vier festen Mitarbeitern und einem Netzwerk von 400 Experten rund 300 Projekte betreut. Wo Chaos im Keller herrschte, haben sie Archive angelegt, wer ohne Geschichte war, bekam eine Jubiläumsschrift; Ausstellungen wurden entworfen, Fakten recherchiert, sortiert, transkribiert, für Unternehmen, Institute, NS-Opfer, Enteignungsopfer. In Osteuropa, Amerika, Asien, rund um den Erdball also, haben sie Vergangenheit zusammengetragen.
[…]

Rund 600 000 € Umsatz macht Facts & Files im Jahr. “Ein paar Kollegen rümpfen immer noch die Nase”, sagt Drauschke, “weil wir damit Geld verdienen.” Dabei ist es nur ein Berufsfeld für Historiker jenseits von grauer Universität, grausamem Lehramt und staubigem Archiv. Sicher, auch die Startup-Historiker verrichten ihre Hauptarbeit inmmiten alten Papiers. Drauschke aber raunt: “Wir sind Archivdetektive.” Das klingt schon mal verwegener.
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