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Geschichte Zeitgeschichte

Privatleute dokumentieren den Ersten Weltkrieg

Wie lebte es sich in den Schützengräben? Auf der Suche nach unbekannten Fotos und Briefen aus dem Ersten Weltkrieg wenden sich Bibliotheken an private Sammler.

Nur was man hat, kann man zugänglich machen. Deshalb sind Bibliotheken immer daran interessiert, ihre Bestände zu erweitern. In drei Jahren jährt sich der Kriegsausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal.

Der Krieg 1914 bis 1918 ist jedoch im kulturellen Gedächtnis der Deutschen oft von den noch schrecklicheren Ereignissen des Zweiten Weltkriegs überlagert; deshalb haben die Materialschlachten bisher im Vergleich etwa mit Frankreich und Großbritannien deutlich weniger öffentliche Aufmerksamkeit gefunden.

Ähnlich ist es in vielen Staaten Ostmittel- und Osteuropas, wo bereits der erste Krieg des 20. Jahrhunderts ungeheuere Schäden verursacht hat.

Die historischen Eckdaten des Ersten Weltkrieges sind bekannt. Aber wie haben die Beteiligten die Schlachten und die oft tage-, manchmal wochenlange Ruhe zwischen den gegenseitigen Angriffen erlebt?

Wenig Zeitzeugenberichte

Verglichen mit dem Zweiten Weltkrieg gibt es hierzulande wenig Zeitzeugenberichte. Umso wichtiger sind Aufzeichnungen, Fotos und Erinnerungsstücke der Urgroßväter und Großväter. Häufig seit Jahrzehnten lagern viele solcher Erinnerungsstücke in Kellern, auf Dachböden oder alten Kisten in europäischen Haushalten.

Es sind Fragmente der Geschichte, die nur darauf warten, zusammengetragen zu werden, um das Bild der schrecklichen Ereignisse dieses Ersten Weltkrieges zu ergänzen; um Vergangenheit erlebbar zu machen und zu verstehen, welche Rolle zum Beispiel ganz normale Deutsche gespielt haben, wer ihnen nahe stand und welche Probleme sie zu bewältigen hatten.

"Erster Weltkrieg in Alltagsdokumenten"

Gründe genug, um das Projekt "Erster Weltkrieg in Alltagsdokumenten“ ins Leben zu rufen. Ziel ist es, europaweit ein digitales Archiv aufzubauen. Die Initiative für dieses Projekt haben öffentliche Bibliotheken und Museen ergriffen, aber die Inhalte sollen Erinnerungsstücke von Frontsoldaten und ihren Verwandte in der Heimat bilden: Gesucht werden Briefe und Fotos, Tagebücher und sonstige Erinnerungsstücke.

Das Neue und Besondere an dieser Initiative: Nicht professionelle Kuratoren gehen auf die Suche; aufgerufen sind alle, in deren Familienbesitz solche Stücke die vergangenen mehr als neun Jahrzehnte überstanden haben. Die Sammlung und Erschließung soll durch Privatpersonen erfolgen. Die Grabenkämpfe des Erstes Weltkrieges treten so ein in die Ära des Internets. Es geht um Stellungskrieg 2.0.

Crowdsourcing zapft private Quellen an

Diesen neuen Ansatz nennen Museumsfachleute "Crowdsourcing“, also: "Quellensammlung aus der Masse“. Gewissermaßen wird das Prinzip der offenen Internet-Enzyklopädie Wikipedia auf die Suche nach historisch ineressanten Exponaten übertragen.

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"Crowdsourcing“ findet auf zwei Wegen statt: Einerseits veranstalten die beteiligten Institutionen Aktionstage, an denen Experten zur Verfügung stehen, die Unterstützung bei der Digitalisierung der Erinnerungsstücke bieten sollen.

Die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt am Main macht am 31. März den Anfang, am 2. April findet dann ein Aktionstag in der Staatbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin statt. Die Bayerische Staatsbibliothek in München folgt am 6. April, die Bibliothek für Zeitgeschichte in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart am 12. April.

Europäische Bibliothek "Europeana"

Außerdem kann man private Erinnerungsstücke selbst digitalisieren und per Internet zugänglich zu machen. Die digitale Plattform dazu bietet die digitale europäische Bibliothek " Europeana ". Hier gibt es ein Formular zur Objektbeschreibung und zum Hochladen digitaler Fotos.

Museumsexperten prüfen jedes eingestellte Objekt, bevor es für alle Nutzer einsehbar ist.; so gewährleistet die europäische Initiative eine Qualitätskontrolle.

Das Projekt „Erster Weltkrieg in Alltagsdokumenten“ geht über die bloße Koordination der Sammlung von Erinnerungsstücken hinaus. „Wir verstehen uns auch als Moderatoren und Kommunikatoren“, sagte Elisabeth Niggemann, die Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek und Vorsitzende der Europeana Foundation zum Projektstart.

Die Internetplattform soll nicht nur eine wachsende Sammlung an andernorts nicht zugänglichen Informationen bieten, sondern kreiert dank einer Kommentarfunktion auch einen virtuellen Kommunikationsraum.

Im Jahre 2008 startete an der Universität Oxford in Großbritannien bereits als Pilotprojekt das „Great War Archive“. Es sammelte in kurzer Zeit durch die neue Arbeitsweise rund 6.500 Objekte – rein digital, denn die Originale bleiben bei den Eigentümern.

Digitale Sammlung von Erinnerungsstücken

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Die Europeana hat die Idee aufgegriffen und sich zur Fortsetzung entschieden, so dass bis zum Jubiläumsjahr 2014 in mindestens zehn weiteren europäischen Ländern Erinnerungsstücke digital gesammelt werden. Nach dem Start in Deutschland beginnt die Sammlung im Sommer dieses Jahres in Frankreich.

Die Plattform für das Projekt, die Europeana, ist die europäische digitale Bibliothek und soll ein zentrales Portal zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Europas werden. Gegenwärtig findet man schon mehr als 15 Millionen Bücher, Filme, Gemälde, Archivalien und Museumsobjekte in der durch die EU finanzierten Internet-Datenbank.

Insgesamt sind 1500 Partnereinrichtungen aus allen EU-Staaten beteiligt, die das mehrsprachige Projekt unterstützen. Nach diesen Prinzipien soll auch das Teilprojekt zum Ersten Weltkrieg funktionieren.

Die Objekte werden durch die Digitalisierung vor dem Verfall gesichert und zudem öffentlich zugänglich gemacht. Nur der Index findet sich zentral bei der Koordinationsstelle der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/ Main.

In Zukunft wird man aus der ganzen Welt Zugriff auf private Erinnerungsstücke zur „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ haben.

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