Der Historienschriftsteller Johannes K. Soyener ist ein Meister der genauen Beschreibung.

Der Historienschriftsteller Johannes K. Soyener ist ein Meister der genauen Beschreibung. Wenn er in einem Roman etwa den französischen Feldarzt Jean-Dominique Larrey während der Menschen verschlingenden Schlachten Napoleons zum Chirurgenbesteck greifen lässt, muss jedes Detail stimmen. Wie viele Amputationen schafft ein Arzt, während um ihn die Schlacht tobt? Werden seine Patienten betäubt, bevor der Arzt das Messer ansetzt, oder bekommen er nur ein Stück Holz zwischen die Zähne geklemmt? Welche Operationsinstrumente standen einem Arzt Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts überhaupt zur Verfügung?

Zur Beantwortung dieser Fragen greift der Romanautor auf die Hilfe der Geschichts-Profis des privaten Berliner Forschungsinstituts "facts & files" (etwa "Tatsachen und Dateien") zurück. Das beschafft die nötigen Informationen, beispielsweise aus Berichten der jeweiligen Epoche, lässt Mitarbeiter nötigenfalls in Archiven nach zeitgenössischen Dokumenten suchen - und liefert ihrem Auftraggeber die gewünschten Ergebnisse.

Dabei ist die Agentur auf keine Epoche und kein Gebiet beschränkt. "Unsere Bandbreite reicht von Adam und Eva bis gestern", sagt Frank Drauschke. Er hat gemeinsam mit Beate Schreiber und Jörg Rudolph vor acht Jahren die Firma gegründet. "Zur rechten Zeit", wie Drauschke sagt, "denn es gab schnell einen großen Bedarf für unsere Recherchen." Alle drei sind als Historiker vom Fach.

Bereits während des Studiums hatte Beate Schreiber für eine Rechtsanwaltskanzlei die Besitzverhältnisse von Gewerkschaften auf dem Gebiet der früheren DDR recherchiert. Aus dem Nebenjob für die damals angehende Geschichtslehrerin wurde ein Unternehmen. Und schon vier Monate nach der Gründung kam der erste Großauftrag. Für die Internationale Kommission für Versicherungsansprüche aus der Holocaust-Ära sollte "facts & files" nach Unterlagen suchen, mit der die Ansprüche von NS-Opfern und deren Nachfahren belegt werden konnten. Bis zu 90 freie Mitarbeiter schickte die Firma auf die Suche. Sie durchforsteten 50 Archive in elf Ländern, sichteten dabei eine halbe Million Akten und werteten 70 000 Policen aus. Die Ergebnisse der vier Jahre langen Recherchen wurden in einer umfangreichen Datenbank angelegt und analysiert.

Mit der Geschichte Geschäfte zu machen ist möglich. Inzwischen hat "facts & files" drei Beschäftigte angestellt, frei Mitarbeiter werden je nach aktuellem Bedarf engagiert. Im Pankower Altbau-Büro stapeln sich die Lexika bis unter die Decke. Historische Atlanten sind darunter, mehrere Bände des Reichstelefonbuchs aus den 30-er und 40-er Jahren - und natürlich unverzichtbar: das Schwergewicht aller Nachschlagewerke, der Brockhaus. Da aber Bücher nicht alle Fragen beantworten können, bleibt immer wieder nur der Gang in die Archive.

Eigentumsverhältnisse zu klären, sei es die von enteigneten Immobilien in der DDR oder geraubten Kunstwerken während der Nazi-Zeit oder danach, und dafür die entsprechenden Dokumente zu beschaffen, den geschichtlichen Hintergrund zu beleuchten und zu begutachten, sind die Hauptfelder der Firma. Aber auch aus der Filmbranche kommen immer wieder Aufträge. So ließ Regisseur Volker Schlöndorff das Drehbuch zu seinem Film "Der neunte Tag" gegenlesen und kam so zu der Antwort auf die Frage, ob man im Dritten Reich schon in aller Früh mit "Heil Hitler" grüßte oder es bei einem "Guten Morgen" beließ. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden die Biografien von 927 Deutschen recherchiert, die zwischen 1950 und 1953 vom obersten Militärtribunal der Sowjetischen Besatzungstruppen in der DDR zum Tode verurteilt und in Moskau hingerichtet wurden. Das Ergebnis liegt inzwischen als Buch vor: "Erschossen in Moskau..."

Informationen im Internet: www.factsandfiles.com